Nach dem Stillstand
<Gespräch, dt.>
Gaby Hartel und Gloria Meynen
Sonntag, den 6. Juni 2021
16:30 – 17:15 Uhr
Ort: Open University, Urfahraner Marktgelände
Abstract
Utopien sind Orte, die man nur im Gedanken bereisen kann. Sie sind häufig durch ein Meer vom Festland getrennt. Die Pandemie aber ist der Pazifik — das stille Meer, das Magellan in sechs Monaten und zwanzig Tagen durchquerte »mit nichts als Himmel und Salzwasser vor Augen«. Kein Ort, ein Zustand. Die Pandemie ist ein Meer ohne Inseln. Sie hinterlässt eine wüste, salzige Welt, soweit das Auge reicht.
»Nichts… nichts… und wieder nichts«, bemerkt Clov in Becketts Endspiel, als er durch das Fernrohr den Ozean betrachtet. Im Gespräch bereisen Gaby Hartel und Gloria Meynen die Einöden des Stillstands. Samuel Beckett trifft auf Alexander von Humboldt. Beide haben auf unterschiedliche Weise, in der Literatur und in der Wissenschaft, auf der Bühne und auf staubigen Hochebenen die Einöden und die infinitesimal kleinen Unterschiede und Details vermessen. Gaby Hartel und Gloria Meynen sprechen über das Warten und die lange Weile, über Orte, Symptome und Selbsttechniken der Langsamkeit. Inwieweit kann der Stillstand durch Narrationen und Geografien zum Flirren, Tönen und Sprechen gebracht werden? Ihr Gespräch kreist um die offene Frage, ob aus der Müdigkeit, der schwarzen Galle salziger Einöden, eine Selbsttechnik und aktive Protestform entstehen kann. Wo endet der Pazifik – können wir aus dem Stillstand Wind und Schubkraft gewinnen?
Biografien
Gaby Hartel lebt als Kuratorin, Übersetzerin und Radiomacherin in Berlin und London. Zu ihrem Portfolio zählen Ausstellungen im Soundbereich und an der Schnittstelle von Literatur und zeitgenössischer Kunst (u.a. für die Kunsthalle Wien, den Neuen Berliner Kunstverein, das ZKM). Radiosendungen, Veröffentlichungen, Symposien sowie Lehrtätigkeiten zur zeitgenössischen Kunst, Radioästhetik, Radioarchiven. Zu Gabys Arbeiten als Kuratorin oder Konzeptberaterin gehören: Art / Nature, sound art interventions at Museum für Naturkunde Berlin (2014 – 2018); Radiophonics (HKW, Berlin 2018); Choreography of Sound (ZKM, 2013); SOUNDS. radio – art – new music (nbk, 2010).
Gloria Meynen ist eine Kultur- und Medienwissenschaftlerin, Professorin für Medientheorien am Institut für Medien der Kunstuniversität Linz. Sie hat Neuere Deutsche Literatur, Ältere deutsche Sprache und Literatur, Philosophie und Kulturwissenschaft in Köln, Bonn, Bochum, Konstanz und Berlin studiert, promovierte 2004 an der Humboldt-Universität zu Berlin mit der Dissertationsschrift Büro. Die Erfindung der Schreibfläche, einer Geschichte der Zweidimensionalität. Sie wurde 2016 am Fachbereich Kulturwissenschaften der Leuphana Universität Lüneburg mit der Monografie Inseln und Meere. Zur Geografie und Geschichte fluider Grenzen habilitiert, die 2020 bei Matthes & Seitz Berlin erschienen ist.