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Andere Wälder

<Gespräch und Video, eng. + dt.>

Barbara Marcel und Maren Mayer-Schwieger
Sonntag, den 6. Juni 2021
14:45 – 16:00 Uhr
Ort: Open University, Urfahraner Marktgelände

Abstract

Wälder sind Orte der Dichte und der Dichtung. Es sind Orte voll von Geschichte(n). Damit der Held zum Helden wird, muss er in den Wald ziehen und dort seine Abenteuer bestehen. Räuber, Hexen, Waldmenschen und andere Outlaws bewohnen diesen Wald, der die Außenseite der Gesellschaft und daher Ort der Außenseiter ist. Doch der Wald ist nicht bloß das Andere der Kultur. Als Ort der Holz- und Papierproduktion ist er verbunden mit kulturellen Hegemonieansprüchen, kolonialer Eroberung und Sklaverei. Und spätestens im 19. Jahrhundert gilt der Wald selbst als Mittel und Gegenstand der Kultivierung: Während er als idyllisches Ideal die romantische Seele veredeln soll, kultiviert ihn die Forstwissenschaft als nationalökonomische Ressource; nur wenig später finden im ›Deutschen Kulturwald‹ völkische Ideologie und Naturschutzbewegung zusammen. Wenn schließlich das Waldsterben in den 1980er-Jahren zum Symbol für die Kehrseite des Fortschritts geworden ist, dann scheint mit den heutigen weltweiten Waldbränden und Abholzungen der Wald als Topos der Kultur-Geschichte vollends an sein Ende gekommen zu sein.

Maren Mayer-Schwieger spricht mit Barbara Marcel über ihr Projekt Golden Tone, über die historische Kulturlandschaft des Westharzes in Deutschland und eine besondere Geschichte der Zucht, der Ausbildung und des Handels von Kanarienvögeln in dieser Bergbauregion. Zwischen schwermetallverseuchten Hügeln und umgestürzten Fichten befragen Marcels Videoarbeiten die ikonische Landschaft des Harzes, die Schichten des mythologischen und anthropogenen Waldes. Marcel und Mayer-Schwieger sprechen über die Vielschichtigkeit der Wälder, über einen Ort, der romantisch und ruinös zugleich ist. Welche Wald-Geschichten können wir uns heute (noch) erzählen?

Biografien

Barbara Marcel (* 1985, Rio de Janeiro, Brasilien) hat an der Bauhaus-Universität Weimar, am Institut für Kunst im Kontext der Universität der Künste in Berlin und an der Universidade Estácio de Sá in Rio de Janeiro studiert. Ihre Arbeiten wurden u. a. im ZKM, Karlsruhe; Galeria Metropolitana, Santiago de Chile; nGbK, Berlin; Savvy Contemporary Berlin; Espacio Pla, Buenos Aires; Tieranatomisches Theater, Humboldt Universität Berlin; Haus der Kulturen der Welt, Berlin; CeNak – Zoologisches Museum Hamburg; Athens Biennale und Galerie für Zeitgenössische Kunst, Leipzig gezeigt. Sie ist Stipendiatin der Heinrich-Böll-Stiftung und lebt seit 2009 in Berlin.

Maren Mayer-Schwieger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Medientheorien der Kunstuniversität Linz. In ihrem Dissertationsprojekt Der andere (im) Oikos. Eine Genealogie ökologischen Wissens erkundet sie die Geschichten und Praktiken ökologischen Wissens. Darüber hinaus forscht sie zu Umweltästhetik, Sensortechnologie und Kartoffelkäfern. Maren Mayer-Schwieger hat an verschiedenen (Kunst-)Universitäten unterrichtet, u. a. an der HGK Basel, der Akademie der Bildenden Künste Wien, der Leuphana Universität Lüneburg und der Ruhr-Universität Bochum.